Lastschriftverfahren und Widerrufsrecht des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter kann nicht jede Forderung, die mittels Lastschriftverfahren bezahlt wurde, innerhalb der bankrechtlich zulässigen Fristen widerrufen
Manche Gläubiger, dessen Forderung bereits mittels Lastschriftverfahren beglichen worden ist, wundert sich. Der Kunde stellt Insolvenzantrag und der vorläufige Insolvenzverwalter widerruft als erste Handlung nach seiner Bestellung ohne sachliche Berechtigung pauschal sämtliche Lastschriften, die in den letzten Wochen vom Konto des Kunden eingezogen wurden. Der Gläubiger kann dann nur noch seine Forderungen zur Tabelle des Insolvenzgerichts anmelden und auf eine geringe Quote in etlichen Jahren warten. Oft sind auch die Banken der Schuldner die Leidtragenden, denn wenn die Frist zur Rückgabe der Lastschriften gegenüber den Gläubigerbanken abgelaufen war, müssen diese das Geld von dem Empfänger unmittelbar nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern.
Hintergrund ist die Besonderheit des Lastschriftverfahrens, wonach die Einzugsermächtigung nur die Gestattung des Schuldners ist, das von der Kreditwirtschaft ermittelte technische Verfahren des Lastschrifteinzugs zu nutzen. Die Schuldnerbank bucht also beim Lastschriftverfahren den Betrag vom Konto des Schuldners ab, ohne dazu von diesem angewiesen worden zu sein. Diese unberechtigte Belastung des Kontos muss der Schuldner noch genehmigen, wofür ihm beim Lastschriftverfahren eine Frist von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zusteht, Nr. 7 Abs. 3 AGB Banken. Im Falle eines quartalsweisen Rechnungsabschlusses kann dieser Schwebezustand also 4,5 Monate betragen.
Entscheidung des BGH vom 20.07.2010, AZ XI ZR 236/07, zum SEPA-Lastschrifverfahren
Diese Praxis hat der BGH in seiner Entscheidung vom 20.07.2010, AZ XI ZR 236/07, in Bezug auf Zahlungsvorgänge nach dem europäischen SEPA-Lastschriftverfahren, das ab dem 31.12.2009 gilt, für unzulässig erklärt. Bei diesem System erteilt der Schuldner seiner Bank die Weisung, die SEPA-Lastschrift einzulösen. Diese wird durch den Gläubiger als Übermittlungsboten der Bank des Schuldners übermittelt. Geht der Zahlungsauftrag so der Schuldnerbank zu, wird er wirksam, § 675 n Abs. 1 S. 1 BGB. Da der Vermögensabfluss bereits mit der Belastung des Kontos stattfand, ist die Vornahme der Buchung unmittelbar wirksam.
Der Schuldner ist bei diesem Lastschriftverfahren zwar berechtigt, innerhalb von acht Wochen ab der Belastungsbuchung von seiner Bank die Erstattung des Zahlbetrags zu verlangen, § 675 x BGB. Dieses Recht kann aber nicht vom Insolvenzverwalter pauschal ausgeübt werden. Im SEPA-Firmenlastschriftverfahren ist der Erstattungsanspruch ohnehin abbedungen, § 675 e Abs. 4 BGB. Im SEPA-Basislastschriftverfahren, das für Verbraucher gilt, fällt das Erstattungsverlangen nach § 675 x BGB aber ebenfalls nicht in die Insolvenzmasse. Dies begründet der BGH mit der analogen Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist das Recht des Schuldners, eine hinterlegte Sache zurückzunehmen, unpfändbar. Da der Fall, dass eine Forderung nach dem SEPA-Lastschriftverfahren eingezogen worden ist, nach Ansicht des BGH vergleichbar ist, soll diese Vorschrift entsprechend angewandt werden. Der Insolvenzverwalter könnte die betreffenden Forderung nach Ansicht des BGH auch im Wege der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO geltend machen.
Zur Rechtslage bei Lastschriften nach deutschem Recht
Im Hinblick auf das deutsche Lastschriftverfahren wies der BGH darauf hin, dass es seiner Meinung nach zulässig wäre, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken eine Klausel aufzunehmen, wonach mit der Einzugsermächtigung zugleich der Zahlungsauftrag erteilt wird.
Für nach den bisherigen AGB-Banken ausgeführte deutsche Einzugsermächtigungen ist jedenfalls nach Auffassung des BGH aber zu prüfen, ob der Schuldner nicht bereits vor der fingierten Genehmigung gemäß § 7 Nr. 3 ABG-Banken bereits eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten erteilt hat. Hierfür genügt allerdings weder die Entgegennahme von Kontoauszügen sowie weitere Verfügungen über das Konto nach Buchung der Lastschrift. Eine konkludente Genehmigung im Lastschriftverfahren sei allerdings möglich, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Buchungen aus einer laufenden Geschäftsbeziehung handelt wie z.B. Mieten, Leasingraten usw., die in der Vergangenheit immer hingenommen wurden.
Weitere Einschränkungen für das Lastschriftverfahren nach deutschem Recht nahm der BGH in seiner Entscheidung vom 20.07.2010, AZ IX ZR 37/09 vor. Wird eine Lastschrift unter Verwendung unpfändbaren Schuldnervermögens eingelöst, ist das Widerrufsrecht ebenfalls dem Insolvenzverwalter entzogen. Im entschiedenen Fall erhielt die Schuldnerin Wohngeld, das nach § 55 SGB I a.F. pfändungsfrei war. Dieses diente zur Deckung der Mietzahlung, die vom Vermieter mittels Lastschrift eingezogen wurde. Der Insolvenzverwalter darf daher nicht pauschal allen Lastschriften widersprechen, sondern muss im Einzelfall prüfen, ob diese aus pfändungsfreiem Schonvermögen erbracht worden sind. Bei mehreren Kontobelastungen, die das Schonvermögen übersteigen, darf dann der Schuldner entscheiden, welche aus dem Schonvermögen bedient werden sollen. Unabhängig hiervon darf die Genehmigung nur widerrufen werden, wenn der Lastschrifteinzug anfechtbar wäre.
Der BGH hat daher der Praxis der Insolvenzverwalter, unmittelbar nach Bestellung sämtliche Lastschriften pauschal zu widerrufen, eine Absage erteilt. Gläubiger und Banken haben die Möglichkeit, die zurückgebuchte Zahlung zu behalten und nicht auf die Quote verwiesen zu werden. Im Falle einer solchen zurückgebuchten Lastschrift sollte daher anwaltlicher Rat eingeholt werden.