Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen?

Dürfen Leiharbeitnehmer nur für kurze Zeit überlassen werden, um Produktionsspitzen oder Ausfälle von Stammpersonal aufzufangen, oder können Leiharbeitnehmer über Jahre hinweg auf denselben Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden? § 1 Abs. 1 S. 2 des 2011 neu gefassten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ordnet zwar an, dass ein Leiharbeitnehmer nur „vorübergehend“ verliehen werden darf. Was hiermit gemeint ist, ist jedoch immer noch unklar, da das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13, diese Frage offen gelassen hat. Klar ist inzwischen aber immerhin, dass eine nicht „vorübergehende“ Leiharbeit jedenfalls nicht dazu führt, dass analog § 10 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 9 Nr. 1 AÜG der dauerhaft überlassene Arbeitnehmer fest angestellter Arbeitnehmer des Entleihers wird – jedenfalls dann, wenn die Verleiherin über eine für die Arbeitnehmerüberlassung notwendige Erlaubnis verfügt.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg zur Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen

Dem Bundesarbeitsgericht lag ein Urteil des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 22.11.2012, 11 Sa 84/12 zur Überprüfung vor, in dem es um einen IT-Sachbearbeiter ging, der seit 2008 in einem Krankenhaus tätig war und von einer Tochtergesellschaft des Krankenhauses an dieses verliehen wurde. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass der Einsatz eines Leiharbeitnehmers nur dann „vorübergehend“ sei, wenn auch die befristete Anstellung eines Arbeitnehmers beim Entleiher nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gerechtfertigt wäre. Hierfür sah das Gericht keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere da die von dem konzerneigenen Zeitarbeitsunternehmen zu besetzenden Stellen jeweils auf der Homepage des Krankenhauses ausgeschrieben wurden mit dem Hinweis, dass die Anstellung über die Tochtergesellschaft erfolgen sollte. Somit nahm Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg an, dass der Kläger aufgrund der unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung bei der Entleiherin angestellt war.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen

Dieser Auffassung erteilte das Bundesarbeitsgericht nunmehr eine Absage. Der Gesetzgeber habe im Jahr 2011 bei der Überarbeitung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bewusst keine Rechtsfolge für eine nicht nur vorübergehende Leiharbeit angeordnet. Auch die dem Gesetz zugrunde liegende EG-Richtlinie 2008/104 ordne keine Sanktion an. Eine solche auszuwählen sei Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Rechtsprechung. Auf die weitere Frage, wann eine „vorübergehende“ Leiharbeit vorliegt, musste das Bundesarbeitsgericht dann nicht mehr weiter eingehen.

Betriebsrat kann Zustimmung zur Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen vermeiden

Es ist aber jedenfalls der Auffassung, dass nach geltendem Recht eine Leiharbeit nur zeitlich begrenzt erlaubt ist. In einem Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11, gab es dem Betriebsrat recht, der die Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers verweigert hatte, der unbegrenzt lange eingesetzt werden sollte. Es führte aus, das Wort „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sei kein unverbindlicher Programmsatz, sondern soll die Aufteilung der Stammbelegschaft in Festangestellte und Leiharbeitnehmer vermeiden. Das Gericht legte jedoch nicht fest, wie lange ein Leiharbeitnehmer „vorübergehend“ eingestellt werden könne, da er in dem entschiedenen Fall dauerhaft eingesetzt werden sollte. Dieser Auffassung schloss sich auch das Landesarbeitsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 29.08.2013, 1 TaBV  3/13, an. Es betonte zudem, dass es auch nicht ausreichend sei, die Leiharbeitnehmer ständig auszuwechseln, so dass die Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers vorübergehend sei. Vielmehr müsse die Leiharbeit an sich vorübergehend sein, so dass sich eine Überlassung auf Dauerarbeitsplätzen verbiete. Ähnlich entschied auch das LAG Schleswig-Holstein am 08.01.2014, AZ 3 TaBV 43/13. Der Betriebsrat durfte die Zustimmung zur dauerhaften Besetzung einer Assistentinnenstelle durch eine Leiharbeitnehmerin verweigern.  Anderer Auffassung ist das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 22.05.2014, 14 TaBV 184/14. Danach ist der Begriff „vorübergehend“ arbeitnehmerbezogen und nicht arbeitsplatzbezogen zu verstehen, so dass der Betriebsrat zustimmen musste, als für zwei Jahre eine Leiharbeitnehmerin auf einem Dauerarbeitsplatz eingestellt wurde. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde jeweils zugelassen, so dass wir in dieser Sache in einigen Monaten Weiteres hören werden.

Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur Leiharbeit  auf Dauerarbeitsplätzen

Es ist somit eine Überarbeitung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu erwarten. Nach dem Koalitionsvertrag der großen Koalition von 2013 unter Ziffer 2.2. „Gute Arbeit“ soll die Überlassung eines Arbeitnehmers gesetzlich auf 18 Monate begrenzt werden. Ob und wann diese Vereinbarung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Das Bundesarbeitsgericht hat jedenfalls nach geltendem Recht dauerhaft überlassenen Arbeitnehmern die Rechtsfolgen genommen, um sich gegen eine solche zur Wehr zu setzen. Und der Arbeitnehmerüberlassungsbranche Zeit gegeben, sich auf die zu erwartende Gesetzesänderung einzustellen.

Beendete Kontroverse im Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zur Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen

Beendet wurde durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.12.2013 auch die Kontroverse zwischen der 7. und die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg. Auch dort ging es um Arbeitnehmer, die bei einem Personaldienstleistungsunternehmen angestellt sind, das zu einem Krankenhauskonzern gehörte. Sie wurden in den Krankenhäusern auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt, für die kein eigenes Stammpersonal des Krankenhauses vorhanden war, und im Vergleich zu unmittelbar bei den Krankenhäusern angestellten Arbeitnehmern schlechter bezahlt.

Die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hatte die Klage der seit 2008 angestellten Krankenschwester auf Feststellung, dass sie bei dem Krankenhaus angestellt ist, in der Entscheidung vom 16.10.2012, AZ 7 Sa 1182/12, abgewiesen. Zu einem anderen Ergebnis kam die 15. Kammer des LAG. Hier wurde offenbar eine Umgehung angenommen, da die Personaldienstleistungsgesellschaft nicht werbend am Markt tätig sei, also ihr Personal nur an die Krankenhäuser überlasse. Seine Beauftragung diene nur dazu, Lohnkosten zu senken und den Kündigungsschutz zu umgehen. Eine auf Dauer angelegte Leiharbeit sei somit nicht von der Erlaubnis gedeckt, so dass nach Auffassung der 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher zustande gekommen sei. Auch gegen dieses Urteil soll Revision eingelegt worden sein. Soweit diese nicht aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10.10.2013 bereits zurückgenommen oder die Sache einer einvernehmlichen Lösung zugeführt wurde, wird dieses Urteil keinen Bestand haben.

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