Inwiefern dürfen Arbeitgeber überwachen?

Die technischen Möglichkeiten schreiten immer weiter fort und machen es für Arbeitgeber möglich, ihre Angestellten auch ohne deren Wissen zu überwachen, etwa durch heimlich installierte Videokameras oder unerkannte Zugriffe des Administrators auf den PC. Was aber genau ist erlaubt und was verboten?

Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes: Inwiefern dürfen Arbeitgeber Arbeitnehmer überwachen?

§ 32 des 2009 neu gefassten Bundesdatenschutzgesetzes ordnet hierzu an, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Beschäftigten für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig ist, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten fordert das Gesetz zudem tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht begründen, dass der Betroffene eine Straftat begangen hat, und ordnet eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung an.

Selbst bei Lagerfehlbeständen, die auf Diebstähle hindeuten, ist somit die verdeckte Videoüberwachung der gesamten Belegschaft unzulässig, da ein auf Tatsachen begründeter Verdacht gegen jeden Betroffenen vorliegen muss. Der Arbeitgeber müsste zunächst versuchen einzukreisen, wer an welcher Stelle die Straftaten begangen haben könnte, und andere Ermittlungsmöglichkeiten wie etwa auch Privatdetektive nutzen. Toiletten oder auch Waschräume sind auf jeden Fall Tabu. Aber auch bei einer offenen Videoüberwachung, bei der also die Kameras deutlich sichtbar sind und auf diese auch hingewiesen wird, muss sorgfältig abgewogen werden, da durch das ständig mögliche Überwachen der Arbeitnehmer ein hoher Beobachtungsdruck aufgebaut wird.

Bei dem Überwachen von Telefongesprächen, E-Mail-Verkehr und der Internetnutzung ist jeweils zu differenzieren, ob der Arbeitgeber die private Nutzung des jeweiligen Mediums gestattet hat. Falls dies nicht der Fall ist, kann er z.B. die Verbindungsdaten der Telefongespräche speichern und prüfen und auch die E-Mails lesen. Anderenfalls darf er auf die E-Mails nicht zugreifen und bezüglich der abgehenden Privatgespräche nur Zeit und Dauer erfassen. Gleiches gilt sinngemäß für die Nutzung des Internets.

Betriebsverfassungsrechtliche Vorgaben: Inwiefern dürfen Arbeitnehmer Arbeitgeber überwachen?

Getrennt davon zu beantworten ist die Frage, ob ein etwaig vorhandener Betriebsrat bei der jeweiligen Überwachungsmaßnahme mitbestimmen muss. Hier ist § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG einschlägig, wobei die Nr. 1 das manuelle Überwachen wie z.B. Privatdetektive oder Testkäufe erfasst.

Arbeitgeber sollten sich somit genau informieren, welche technisch möglichen Überwachungsmaßnahmen auch datenschutzrechtlich zulässig sind und wann sie einen etwaig vorhandenen Betriebsrat einschalten müssen, um die ARbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich sauber überwachen zu dürfen. Arbeitnehmer, die von einer solchen Überwachungsmaßnahme betroffen sind, müssen diese ggf. nämlich nicht hinnehmen.

Verwertung von Beweismitteln

Was aber aus Gesichtspunkten des Datenschutzes verboten ist, kann ggf. trotzdem im Fall einer Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht verwendet werden. Es gibt keine Regelung, wonach ein unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz gewonnenes Beweismittel in einem Prozess werden darf. Bei einer erheblichen Verletzung des Arbeitsvertrags würde ein Arbeitsgericht z.B. eine E-Mail, die der Arbeitgeber trotz erlaubter Privatnutzung im Postfach des Arbeitnehmers gelesen hat, zur Begründung seiner Entscheidung heranziehen. Gleiches gilt sinngemäß für die Verletzung von Mitbestimmungsrechten eines etwaigen Betriebsrats. Auch in diesem Fall würden ein  Arbeitsrichter die gewonnenen Erkenntnisse ggf. zur Grundlage seines Urteils machen, auch wenn der Betriebsrat informiert worden ist, bevor der Arbeitgeber angefangen, den betreffenden Arbeitnehmer zu überwachen.

So hat z.B. das Landesarbeitsgericht Hamm in seiner Entscheidung vom 10.07.2012, 14 Sa 1711/10, auf einem Firmen-PC eines Mitarbeiters befindliche Protokolle eines privaten Chats auf Skype verwertet. Der fristlos entlassene Mitarbeiter hatte Produkte seines Arbeitgebers über seinen ebay-account selbst bei Berücksichtigung seines Mitarbeiterrabattes weit unter Preis verkauft. Zeitgleich stellte der Arbeitgeber entsprechende Fehlbestände in seinem Warenlager fest. Auch wenn nicht genau geklärt werden konnte, ob der Arbeitnehmer die Waren selbst entwendet hatte oder für den Dieb weiterverkaufte, waren die Chat-Protokolle nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts geeignet, die fristlose Kündigung des langjährig beschäftigten Familienvaters zu rechtfertigen. Der Verstoß gegen das Datenschutzgesetz und etwaige Rechte des Betriebsrates, sogar ein möglicher Verstoß gegen § 206 StGB wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses stellten nach Auffassung des Gerichtes keine Beweisverwertungsverbote dar. Es nahm zwar eine ausführliche Abwägung mit dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers vor, in das durch das Verwerten der Chat-Protokolle eingegriffen wurde. Da aber einerseits nach einer Unternehmensrichtlinie die private Nutzung der EDV nur in Einzelfällen erlaubt war und die Mitarbeiter darauf hingewiesen wurden, dass die Vertraulichkeit nicht gewahrt ist, andererseits aber die Arbeitgeberin in Beweisnot geraten war, als der Arbeitnehmer im Rahmen einer Befragung mitteilte, er habe seinen ebay-account einem Dritten überlassen, den er namentlich nicht benennen werde, hielt das Gericht den Eingriff für gerechtfertigt.

Für nicht verwertbar hingegen hielt das Bundesarbeitsgericht Videoaufnahmen aus dem Kassenbereich eines Getränkemarktes in seiner Entscheidung vom 21.11.2013, 2 AZR 791/11.  Dort wurden heimliche Videoaufnahmen gefertigt, nachdem es Differenzen beim Leergut gab, und eine Kassiererin dabei gefilmt, wie sie eine zweite Kasse mit „Klüngelgeld“ führte und hieraus einzelne Geldmünzen entnahm, wobei sie sich sichernd umgeschaut haben soll. Dem Bundesarbeitsgericht war anlässlich der Kündigungsschutzklage dieser Mitarbeiterin nicht ersichtlich, ob die Leergutdifferenzen nicht bereits schon über eine längere Zeit aufgelaufen waren und letztlich aus Fehlbuchungen resultierten. Außerdem konnte die Arbeitgeberin nicht darlegen, warum es nicht möglich war,  das an der einzigen Leergutkasse abgegebene Pfand mit den Kassenabschlüssen bei Dienstschluss der verschiedenen Mitarbeiter stichprobenhaft zu vergleichen und so den Verdacht auf einzelne Mitarbeiter einzugrenzen. Da dem Bundesarbeitsgericht somit nicht ersichtlich war, dass das Überwachen per Video die Leergutfehlbestände aufzuklären, durften die Untergerichte die Videoaufnahmen nach der Rückverweisung des Rechtsstreits nicht berücksichtigen.

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