Krank zum Mitarbeitergespräch?
Ob ein Arbeitnehmer krank zum Mitarbeitergespräch erscheinen muss, ist höchstrichterlich inzwischen geklärt. Die Antwort ist wie so oft auslegungsfähig – es muss dringend erforderlich sein.
Krank zum Mitarbeitergespräch – die Fälle
In dem vielbeachteten Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 01.09.2015, 7 Sa 592/14 erkrankte eine Arbeitnehmerin über einige Wochen. Unmittelbar vor der Erkrankung hatte sie spontan um einige Tage Urlaub gebeten, um über eine ihr angebotene berufliche Veränderung nachzudenken. Dieser Urlaub wurde ihr verweigert. Die Arbeitgeberin drängte auf eine schnelle Entscheidung, da sie für die neue berufliche Position noch Vorbereitungen treffen musste. Bereits unmittelbar nach Anzeige der ersten Arbeitsunfähigkeit sprach sie eine Kündigung aus. Sie bat die Arbeitnehmerin während der Krankheit zudem mehrfach zum Personalgespräch. Als sie nicht erschien, erhielt sie eine Abmahnung und später auch eine zweite Kündigung.
In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, 02.11.2016, 10 AZR 596/15, ging es um einen Krankenpfleger, der nach einem Arbeitsunfall und Umschulung befristet als medizinischer Dokumentationsassistent beschäftigt war und abermals etliche Wochen ausfiel. Auch dieser wurde mehrmals zum Personalgespräch geladen, um die weitere Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz zu klären. Als er nicht erschien, wurde er abgemahnt.
Krank zum Mitarbeitergespräch – das Urteil des LAG Nürnberg
Das Landesarbeitsgericht war der Ansicht, dass die Arbeitnehmerin nicht verpflichtet war, an dem Personalgespräch teilzunehmen. Die diesbezüglichen Weisungen der Arbeitgeberin entsprachen nicht billigem Ermessen gemäß § 106 GewO. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass unabhängig vom Thema der Arbeitnehmer generell nicht verpflichtet ist, während der Erkrankung zu einem Mitarbeitergespräch zu erscheinen. Diese Frage ist aber noch nicht höchstrichterlich geklärt, so dass die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde.
Das Landesarbeitsgericht führte weiter aus, dass während der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, seine Arbeit zu erbringen, so dass die Hauptleistungspflicht aufgehoben ist. Ein Personalgespräch, das die Hauptleistungspflicht zum Gegenstand habe, dürfe auf keinen Fall stattfinden. Letzteres war aber im vorliegenden Fall gerade zu vermuten. Denn die Arbeitsvertragsparteien hatten unmittelbar vor der Erkrankung über eine berufliche Veränderung der Arbeitnehmerin verhandelt. Es schien der Arbeitgeberin auch weiterhin um die mögliche neue Stelle für die Arbeitnehmerin zu gehen.
Die Arbeitnehmerin hatte während der Erkrankung natürlich noch berufliche Nebenpflichten. Etwa musste sie ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen schicken, sich weiter krank melden, sich schonen usw. Aber auch diesbezüglich erkannte des Landesarbeitsgerichts keinen Gesprächsbedarf, da die Arbeitgeberin bereits den verspäteten Eingang der Arbeitsunfähigkeitsanzeigen schriftlich gerügt hatte.
Krank zum Mitarbeitergespräch – das Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht war in Bezug auf den erkrankten Krankenpfleger nicht ganz so streng. Es führte aus, dass ein Arbeitnehmer ausnahmsweise durchaus dazu verpflichtet werden kann, während seiner Krankschreibung persönlich im Betrieb des Arbeitgebers zu erscheinen. Dies etwa um Informationen weiterzugeben, die für die weitere Arbeit des Arbeitgebers notwendig sind. Zu akzeptieren seien auch Einladungen zu unaufschiebbaren Gesprächen über Änderungen des Arbeitsablaufes mit erheblichen Auswirkungen auf den Arbeitsplatz oder die Zuweisung von anderen Arbeitsaufgaben. Voraussetzung ist weiter, dass diese Gespräche unaufschiebbar und dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Zudem muss es auch dringend erforderlich sein, dass der Arbeitnehmer persönlich im Betrieb erscheint. Telefongespräche oder Schreiben dürfen nicht ausreichen.
Diese Ausnahme hielt das Bundesarbeitsgericht aber letzten Endes nicht für gegeben. Das Gespräch mit dem Krankenpfleger über die andere Stelle hätte auch bis zu seiner Genesung warten können. Zudem hätte die Arbeitgeberin ihm auch einen Brief oder eine E-Mail schreiben können. Die Abmahnung musste somit aus der Personakte entfernt werden.
In dem Parallelfall des Landesarbeitsgerichts Nürnberg ist die Revision noch bei einem anderen Senat das Bundesarbeitsgerichts anhängig. Ob dieser ähnlich entscheiden wird oder der Rechtsstreit sich ggf. anderweitig erledigt, bleibt abzuwarten. Wichtig für die Praxis ist diese Frage insbesondere, da bei dauerkranken Mitarbeitern oftmals ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement versucht wird. Dieses setzt ein Mitarbeitergespräch voraus. Haben Sie Fragen zum Thema Erkrankung und Personalgespräch? Vereinbaren Sie einen Terminin meinem Büro!