Tarifvertrag und Betriebsübergang
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2012, 4 AZR 321/10, zum Tarifvertrag beim Betriebsübergang
Bekanntlich ist es bei einem Betriebsübergang, also der Übernahme des Betriebes durch einen Erwerber, oft schwierig zu beurteilen, ob und wenn ja wie sich der Inhalt der Arbeitsverhältnisses verändert. Ein solcher Fall ist Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2012, 4 AZR 321/10 geworden.
In diesem Fall waren sowohl die ursprüngliche Erwerberin als auch die später klagende Arbeitnehmerin Mitglied im Arbeitgeberverband bzw. Gewerkschaft. Der Tarifvertrag galt also zwischen ihnen unmittelbar und zwingend im Sinne des § 4 TVG. Die Arbeitgeberin hatte wirtschaftliche Probleme und verhandelte im Jahr 2004 mit der Gewerkschaft einen sog. Sanierungstarifvertrag, der einen Verzicht auf anstehende Erhöhungen des Tariflohnes, Urlaubsgeld und Sonderzahlungen in den Jahren 2005 bis 2007 vorsah. Dieser Tarifvertrag sollte bei einem Betriebsübergang auf einen anderen Rechtsträger seine Gültigkeit verlieren. Gleichzeitig wurde ein Tarifvertrag über jährliche Zusatzzahlungen verhandelt, der aber erst am 01.07.2008 in Kraft treten sollte.
Der Betrieb wurde dann zum 01.01.2006 an einen Erwerber veräußert, der nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes war. Dieser zahlte die per 01.07.2008 fällige erste Zusatzzahlung nicht, war aber bereit, diese modifiziert in drei Teilbeträgen als Gutschrift auf dem Kundenkonto, Tankgutschein und Einzahlung in die betriebliche Altersvorsorge zu leisten, wenn die jeweiligen Arbeitnehmer einer Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zustimmten. Zusätzlich wurden eine Abschlussprämie und der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 angeboten.
Die Klägerin lehnte den neuen Arbeitsvertrag ab und klagte die Zusatzzahlung ein. Zu Unrecht, wie das Bundesarbeitsgericht letztlich entschied, während die Vorinstanzen ihrer Klage noch stattgegeben hatten. Der Tarifvertrag Zusatzzahlung sei nämlich nicht gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergegangen, da nach dieser Vorschrift nur die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen. Dies setze für einen Tarifvertrag voraus, dass dieser bereits beim Betriebsübergang in Kraft getreten sei. Der Tarifvertrag über die Zusatzzahlung sollte jedoch erst am 01.07.2008 in Kraft treten und hatte anlässlich des Betriebsübergangs am 01.01.2006 noch keine Wirkung. Unmaßgeblich sei, dass dieser Tarifvertrag bereits im Jahr 2004 zusammen mit dem Sanierungstarifvertrag verhandelt und abgeschlossen worden sei. Es sei hier auf den Tag des Inkrafttretens abzustellen.
Hieran ändere auch nicht, dass es Stufentarifverträge gebe, von denen man annimmt, dass auch die späteren Stufen Wirkung entfalten. Mit diesem Argument hatte nämlich das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Solche Stufentarifverträge sehen üblicherweise schrittweise Tariferhöhungen in bestimmten Abständen vor, etwa eine Erhöhung des Lohnes um einen bestimmten Prozentsatz zum Beginn des nächsten Monates und eine weitere Erhöhung zu einem späteren Termin. Findet zwischen den beiden Terminen ein Betriebsübergang statt, ist auch der Erwerber verpflichtet, die zweite Erhöhung durchzuführen. Dies war aber kein Argument für das BAG, auch den aktuellen Fall zugunsten der Arbeitnehmerin zu entscheiden. Ein Stufentarifvertrag sei anders als der Tarifvertrag Zusatzzahlung bereits vor dem Betriebsübergang in Kraft gesetzt.
Auch dass im Arbeitsvertrag der Klägerin zusätzlich auf „die jeweils gültigen Tarifverträge“ verwiesen wurde, half ihr nicht weiter. Hiermit könne nach Ansicht des Gerichts jedenfalls nicht der Tarifvertrag eines anderen Unternehmens, nämlich der Haustarifvertrag der ehemaligen Arbeitgeberin über die Zusatzzahlungen, gemeint sein.
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