Kürzungsmöglichkeiten beim Weihnachtsgeld
Es geht in großen Schritten auf Weihnachten zu. Aktuell erhalten viele Arbeitnehmer zusammen mit dem Novembergehalt ein Weihnachtsgeld ausgezahlt. Manche erleben aber beim Blick auf den Gehaltszettel eine böse Überraschung, weil die erwartete und vielleicht seit vielen Jahren gezahlte Summe fehlt. Aber darf ein Arbeitgeber das Weihnachtsgeld einfach so kürzen?
Hier müssen wir Juristen leider wie so oft die unbefriedigende Antwort geben: Es kommt darauf an. Steht im Arbeits- oder Tarifvertrag klar und deutlich, dass ohne jede Einschränkung ein bestimmter Betrag oder ein anteiliges Monatsgehalt gezahlt wird, so hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf. Er kann notfalls klagen. Der Arbeitgeber kann aber auch in den Arbeitsvertrag hineinschreiben, dass das Weihnachtsgeld eine freiwillige Zahlung ist. In diesem Fall ist er in der Lage, das Weihnachtsgeld zu kürzen, z.B. wenn es seinem Betrieb schlecht geht.
Eine solche Klausel muss aber wie jede andere Bestimmung im Arbeitsvertrag anhand der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüft werden. Ist die Formulierung unklar, führt dies zur Unwirksamkeit der Klausel und zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf das Weihnachtsgeld. Sehr beliebt waren in der Vergangenheit Kombinationen aus einem Freiwilligkeits- und einem Widerrufsvorbehalt. Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.07.2008, 10 AZR 606/07, wissen wir, dass solche Klauseln intransparent und unwirksam sind. In dieser Entscheidung ging es um folgenden Text:
„Ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers dar“.
Viele würden wohl meinen, dass bei einer solchen Formulierung deutlich ist, dass der Arbeitnehmer nichts fordern kann. Wir Juristen sind da jedoch spitzfindiger: Man kann nämlich nur dann eine Leistung – unter bestimmten Bedingungen – widerrufen, auf die der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat. Wenn es gleichzeitig heißt, dass ein solcher Rechtsanspruch nicht besteht, ist die Klausel widersprüchlich und somit unwirksam, und die Arbeitnehmerin konnte in dem Fall des BAG ihr Weihnachtsgeld verlangen. Ähnlich gelagert war der Fall in der Entscheidung des BAG vom 08.12.2012, 10 AZR 671/09.
Der bloße Hinweis darauf, dass eine Leistung „freiwillig“ ist, genügt aber auch nicht, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.04.2013, 10 AZR 281/12, ausgeführt hat. Das Gericht war sich nicht sicher, ob die Arbeitgeberin damit nicht lediglich sagen wollte, dass sie nicht bereits durch einen Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zur Zahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet ist, sondern dieses dem Arbeitnehmer freiwillig zusagen wollte. Solche Zweifel bei der Auslegung gehen nach der Unklarheitenregel des § 305 c BGB stets zu Lasten des Verwenders, so dass das Gericht der Klägerin in diesem Fall das Weihnachtsgeld zusprach. Akzeptiert wurde hingegen die Klausel „Die Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus“, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.03.2009, 10 AZR 289/09 ausgeführt hat.
Es gibt aber auch Klauseln in Arbeitsverträgen, die den Anspruch auf Weihnachtsgeld ausschließen oder den Arbeitnehmer zur Rückzahlung verpflichten, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder in einem gewissen Zeitraum später gekündigt wird. Der Arbeitgeber darf nämlich das Weihnachtsgeld dazu benutzen, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu belohnen und für die Zukunft zu kaufen. Hierbei hängt die zeitliche Länge der Rückzahlungspflicht von der Höhe des Weihnachtsgeldes ab. In solchen Fällen muss aber auch danach differenziert werden, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt oder wenigstens dem Arbeitgeber einen Anlass für dessen Kündigung gegeben hat, wie das LAG Hamm in seiner Entscheidung vom 16.09.2010, 15 Sa 812/10, nochmals klarstellte.
Eine solche Rückzahlungsklausel ist aber unwirksam, wenn sie zusätzlich dazu benutzt wird, die Arbeitsleistung im vergangenen Jahr zu belohnen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.11.2013 ausgeführt bezüglich einer Klausel, wonach jeder Arbeitnehmer für jeden vollen Monat bezahlter Arbeit 1/12 eines Bruttomonatsgehaltes erhalten sollte, unterjährig eintretende Mitarbeiter somit nur ein anteiliges Weihnachtsgeld erhielten. Aufgrund der weiter vereinbarten Rückzahlungsklausel, die zum Verlust des Anspruches auf Weihnachtsgeld führte, verliert der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bereits verdientes Arbeitsentgelt, was dem Grundgedanken des § 611 BGB widerspreche. Die Rückzahlungsklausel stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar, der ausgeschiedene Arbeitnehmer konnte ein anteiliges Weihnachtsgeld verlangen.
Dann gibt es zu allem Überfluss auch noch Klauseln, wonach das Weihnachtsgeld anteilig gekürzt wird, wenn der Arbeitnehmer krank war. Diese Kürzungsmöglichkeit ist in § 4 a des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ausdrücklich vorgesehen und begrenzt auf 25 % des durchschnittlichen Tagesgehaltes je Krankheitstag. Aber auch hier kann man sich über die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen trefflich streiten, wie in dem Fall des LAG Rheinland-Pfalz, 5 Sa 54/12, bei dem ein Arbeitnehmer entsprechende nachträgliche Hinweisschreiben mit dem Vermerk „gesehen“ unterzeichnete.
Hiervon zu unterscheiden sind wieder die Fälle, in denen keine Vereinbarungen im Arbeits- oder Tarifvertrag enthalten sind oder noch nicht einmal ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert. In solchen kann durch mehrere gleichartige Zahlungen ein Anspruch aus sog. betrieblicher Übung folgen. Dieser könnte aber durch entsprechende Anschreiben, Aushänge oder Vermerke auf den Gehaltsabrechnungen verhindert werden, wobei auch hier hohe Anforderungen an die Formulierung gestellt werden. Eine sog. negative betriebliche Übung, bei der ein bereits entstandener Anspruch durch mehrmaliges Nichtzahlen oder mehrmaliges Zahlen unter Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts vernwerden kann, existiert gemäß der Entscheidung des BAG vom 18.03.2009, 10 AZR 281/08, hingegen nicht mehr.
Sollte Ihr Weihnachtsgeld gekürzt worden sein, empfiehlt es sich schnell zu handeln, da in vielen Arbeits- und Tarifverträgen sog. Ausschlussfristen enthalten sind, wonach selbst berechtigte Ansprüche untergehen, wenn sie innerhalb bestimmter Fristen nicht geltend gemacht werden.
Haben Sie Fragen zum Thema Weihnachtsgeld? Ich habe die Antworten! Sprechen Sie mich an!