Verbraucherschutzvorschriften für Geschäftsführer
Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung nehmen gegenüber den Angestellten Arbeitgeberfunktionen war. Kommt es aber zu einem Streit mit ihrem Arbeitgeber, also der Gesellschaft, sind sie als Verbraucher anzusehen und können sich auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen berufen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 19.05.2010 entschieden.
In dem entschiedenen Fall war ein Geschäftsführer im April 2005 fristlos entlassen worden. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte er auch sämtliche Vergütungsansprüche dem Grunde nach geltend. Mit Schriftsatz vom Februar 2007 wurde die Kündigungsschutzklage dann um Zahlungsansprüche erweitert. Die Dienstherrin berief sich diesbezüglich auf eine Verfallsklausel. Diese lautete wie folgt:
1) „Alle Ansprüche aus diesem Dienstvertrag und solche, die mit dem Dienstvertrag in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.
2) Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von vier Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“
Die Dienstherrin legte diese Klausel so aus, dass die zweite Stufe nur durch eine bezifferte Zahlungsklage gewahrt werden kann, die erst im Februar 2007 erhoben wurde. Mit dieser hätten also nur Ansprüche ab dem Monat November 2006 erfolgreich geltend gemacht werden können. Das Bundesarbeitsgericht war jedoch der Ansicht, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits genügt, und verwies auf seine Rechtsprechung zu Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die also mit Arbeitnehmern geschlossen worden sind (BAG 5 AZR 429/07). Aus Sicht eines Durchschnittsarbeitnehmers sei es nicht erforderlich, eine bezifferte Zahlungsklage zu erheben, es reiche aus, wenn ein Kündigungsschutzprozess geführt werde. Anderenfalls müsste die Zahlungsklage ohne Kenntnis des Ausgangs des Kündigungsschutzstreites und unter Inkaufnahme eines unnötigen Kostenrisikos geführt werden. Von einem nicht rechtskundigen Arbeitnehmer könne nicht erwartet werden, dass er wisse, dass eine Kündigungsschutzklage einen anderen Streitgegenstand habe als eine Zahlungsklage.
Diese Grundsätze wandte das Bundesarbeitsgericht nun ebenso auf einen Fremdgeschäftsführer an. Auch dieser müsse die Ausschlussklausel nicht als Aufforderung zur Zahlungsklage verstehen, auch wenn er über rechtliche Grundkenntnisse verfüge. Zwar sei nach der Rechtsprechung eine bezifferte Zahlungsklage zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen erforderlich. Insofern werden also arbeitsvertragliche und tarifvertragliche Ausschlussfristen anders gehandhabt. Für diese Differenzierung seien jedoch vertiefte arbeitsrechtliche und prozessuale Grundkenntnisse erforderlich, die typischerweise bei einem Geschäftsführer nicht vorausgesetzt werden könnten.
Das BAG führte aus, dass der angestellte Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafter unterlag sowie im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft arbeite und aus diesem Grund als Verbraucher anzusehen war. Eine andere Bewertung sei nur möglich, wenn er als Gesellschafter zumindest über eine Sperrminorität verfüge und so Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben könne.
Da der Geschäftsführer als Verbraucher anzusehen war, konnte er sich auch die Vorschrift des § 310 Abs. 3 BGB berufen. Danach wird u.a. vermutet, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Unternehmer gestellt wurden, und die Vorschriften finden auch auf nur einmal verwendete Bedingungen Anwendungen, wenn der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Ihm wurden also auch erhebliche Beweiserleichterungen zuteil.
Angestellte Geschäftsführer dürften sich daher in Zukunft auf die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle über Arbeitsverträge anhand der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen können. Ausschlussklauseln, Vertragsstrafenklauseln, Rückzahlungsklauseln sowie Wettbewerbsverbote könnten so neuen Maßstäben unterstellt werden. In laufenden Anstellungsverträgen sind entsprechende Vereinbarungen zu überprüfen und bei Bedarf bereits jetzt an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen.