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Insolvenzforderung und unerlaubte Handlung

Wie wird eine Forderung,  die auf eine unerlaubte Handlung gestützt wird, im Insolvenzverfahren behandelt?

Viele Forderungen gegen Schuldner sind bereits vor Insolvenzantragstellung tituliert, d.h. in einem Urteil, Vergleich oder auch Vollstreckungsbescheid rechtskräftig festgestellt. Geht der Gläubiger dann in Insolvenz, nehmen sie regelmäßig an der Restschuldbefreiung teil, der Gläubiger kann also keine Zahlung mehr verlangen. Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind gemäß § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. In diesem Fall ist eine Vollstreckung nach Erteilung der Restschuldbefreiung noch möglich. Eine solche unerlaubte Handlung ist z.B. ein Betrug, bei dem kurz vor der Insolvenz noch ein Vertrag geschlossen wurde in dem Wissen, dass dieser nicht mehr bezahlt werden konnte.

Gläubiger einer solchen Forderung müssen die unerlaubte Handlung als Eigenschaft bei der Anmeldung der Forderung beim Insolvenzverwalter angeben. Der Schuldner hat dann Gelegenheit der Forderung zu widersprechen. Bezieht sich der Widerspruch nur gegen die unerlaubte Handlung und nicht gegen die Forderung an sich, ist auch der Gläubiger, der bereits einen Titel hat, gehalten, den Schuldner nochmals zu verklagen auf Feststellung, dass die Forderung aus einer unerlaubten Handlung stammt. Das hat der BGH in seiner Entscheidung vom 02.12.2010, AZ IX ZR 41/10 ausdrücklich klargestellt. § 184 Abs. 2 InsO ordne zwar an, dass der Schuldner bei Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels oder eines Endurteils seinen Widerspruch innerhalb eines Monats ab dem Prüfungstermins oder dem Bestreiten der Forderung im schriftlichen Verfahren selbst verfolgen müsse. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gelte der Widerspruch als nicht erhoben. Diese Vorschrift ist aber nach der Entscheidung des BGH nur für Fälle einschlägig, in denen der Schuldner bereits die Forderung an sich und nicht nur die unerlaubte Handlung bestritten hat.

Etwas Anderes sei nach Ansicht des BGH jedoch der Fall, wenn der Widerspruch sich nur gegen die unerlaubte Handlung richte und dieser im vorliegenden Titel nicht rechtskräftig festgestellt worden sei. Auf die Ausführungen des Gerichts in den Entscheidungsgründen zur Anspruchsgrundlage komme es nicht an. Das Insolvenzgericht brauche nicht untersuchen, ob der zur Verurteilung im Erstprozess führende Sachverhalt tatsächlich Vorsatz voraussetze oder ob auch andere Anspruchsgrundlagen zu demselben Ergebnis führen. Daher wurde der Gläubiger auf einen zweiten Prozess bezüglich der Rechtsnatur der Forderung verwiesen.

Wenn der Schuldner nicht auf eine solche Feststellungsklage des Gläubigers warten will, kann er auch selbst eine sog. negative Feststellungsklage erheben, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 10.10.2013, IX ZR 30/13 ausgeführt hat. Er müsse nicht abwarten, bis der Gläubiger aus einem vor Insolvenz erwirkten Urteil oder auch dem Auszug aus der Insolvenztabelle vollstreckt und dann den Widerspruch im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen. Der Schuldner darf die Rechtslage alsbald klären, da es für ihn von existentieller Bedeutung sei, ob er bei Erteilung der Restschuldbefreiung auch alle Schulden los wird oder ob eine unerlaubte Handlung in Bezug auf einzelne Forderungen gegeben ist. Ausdrücklich klargestellt hat der BGH in der Entscheidung auch, dass der Schuldner sein Widerspruchsrecht spalten, also die Forderung an sich anerkennen und sich nur gegen die unerlaubte Handlung wenden kann.

Gläubigern ist daher zu empfehlen, bereits im Erstprozess einen Feststellungsantrag bezüglich der Rechtsnatur der Forderung aus unerlaubter Handlung zu stellen, wenn das diesbezügliche Feststellungsinteresse einigermaßen plausibel mit einer drohenden Insolvenz dargelegt werden kann. Eine zweite Klage ist wegen der anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten nur dann zu führen, wenn es auch Aussichten gibt, die Forderung nach der Restschuldbefreiung vollstrecken zu können. Falls sich Gläubiger hierzu nicht entschließen, erhalten Schuldner bereits durch Einlegen des Widerspruchs Restschuldbefreiung auch bezüglich Forderungen, die auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen. Schuldnern, die an einer baldigen Klärung des Widerspruchs gegen die Eigenschaft als solche aus unerlaubter Handlung interessiert sind, ist die negative Feststellungsklage anzuraten.

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2 Kommentare

  1. Guten Abend, der Aufsatz ist sehr gut und verständlich geschrieben, was bei Juristen ja nicht immer der Fall ist. Deshalb großes Lob 🙂 Eine Frage ergibt hätte ich jedoch. Wie ist in den Fällen zu verfahren, wo ein potenzieller Schuldner nur über einen Teil der Forderungen strafrechtlich zur Wiedergutmachung durch Zahlung verurteilt worden ist. Natürlich wäre die Gesamtforderung beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden. Ist aus einem Schuldanerkenntnis (rd. 60.000 EUR) nun zu differenzieren, dass ein Teil zur sozusagen „normalen Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle (rd. 25.000 EUR)“ gehört und für den anderen Teil (rd. 35.000 EUR), wie durch die Staatsanwaltschaft/Strafgericht fesgestellt, die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle als unerlaubte Handlung vorzunehmen ist?

    1. Guten Morgen Herr Scholz, zunächst bedanke mich für das positive Feedback. Wenn die Forderung aus einem einheitlichen Schuldgrund resultiert, könnte sie insgesamt als solche aus unerlaubter Handlung angemeldet werden. Es müsste im Zweifel dann zivilgerichtlich geklärt werden, ob diese Eigenschaft gegeben ist. Die Wertung der Strafgerichte ist hier nicht bindend. Mit freundlichen Grüßen Dr. Scheibeler

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